FAMILIENGESCHÄFTE

Das Privatleben der Hallers war eng mit dem sportlichen Erfolg und der Fußballwelt verbunden.

BERUFSSTART UND FAMILIENLEBEN

Haller hatte eine Ausbildung als Feinmechaniker in einem Betrieb für Filterherstellung absolviert. Später arbeitete er in der Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg (MAN) oder in der Schuhfabrik Wessels. In Deutschland gab es in den frühen sechziger Jahren noch keinen bezahlten Profifußball, von dem ein Spieler leben konnte. So musste auch Haller neben dem Sport sein Geld anderweitig verdienen. Nur nachmittags oder abends konnte er trainieren.

1960 heiratete Haller Waltraud Pfeffer und gründete eine Familie. Ihre gemeinsame Tochter Karin kam 1960 zur Welt, ihr Sohn Jürgen 1961. Waltraud Pfeffer hatte sich als Leichtathletin bei Schwaben Augsburg und als schwäbische Jugendmeisterin einen Namen gemacht. Sie widmete sich nach der Heirat ganz der Familie und gab ihren Sport auf. 1962 gingen die Hallers nach Italien. Helmut begründete seinen damaligen Entschluss so:

“Ich war verheiratet und hatte zwei Kinder, und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich aus finanziellen Gründen ins Abenteuer zu stürzen.”

Aus einem Interview 1999: Hatten Sie eigentlich Angst, als Sie als junger Mann aus Augsburg nach Italien gingen? Die neue Umgebung, die sportliche Herausforderung … »Ich war überzeugt von meinem spielerischen Können. Und als ich dann in den ersten Wochen gesehen habe, wie gut ich mit den anderen Spielern mithalten kann, oder dass ich sogar noch besser bin, da habe ich noch mehr Selbstvertrauen bekommen.«

Und die Sprache? »Ich wurde ins kalte Wasser geworfen. Einen Dolmetscher gab es nicht. Ich habe alles durch tägliche Übung gelernt. Und aus italienischen Mickey-Maus-Heften. Die lagen herum und ich habe mir dann so zurechtgelegt: Aha, das Wort könnte das heißen und dieses Wort könnte das bedeuten. Und nach einem halben Jahr konnte ich meine ersten Interviews auf Italienisch geben. Das hat den Italienern natürlich sehr imponiert.« (A)

In Bologna in der Via Amendola bewohnten die Hallers eine Fünf-Zimmer-Wohnung mit zwei Dachterassen im fünften Stock eines luxurösen Hauses. Renato Dall’Ara, Präsident des FC Bologna, hatte das Domizil den Hallers zur Verfügung gestellt. »Das alles hätte sich der kleine Helmut aus der kinderreichen Familie in der Grafstraße 5 in Augsburg-Oberhausen einst nicht träumen lassen«, heißt es im dem Buch »Der Mann mit den goldenen Beinen« von Robert Deininger.
Obwohl die Familie der italienischen Küche nicht abgeneigt war, deckte sich Ehefrau Waltraud während der Heimaturlaube in Augsburg mit Kartoffelknödeln und Würsten ein. Nudeln und Kartoffeln sollte Helmut, wie der Trainer sagte, möchlist nicht essen. Von seiner geliebten Pfannkuchensuppe ließ er sich aber nicht abbringen.

Die Verwandten aus Augsburg kamen häufig zu Besuch und die Presse ging ein und aus.Tochter Karin empfand es als normal. »Es gehörte halt dazu.«
Wenn nicht gerade eine Abwesenheit wegen eines Auswärtsspiels anstand, wurden an den Abenden die Familienhobbies gepflegt. Die Eltern spielten sehr gerne Karten und hörten Schallplatten. In der ersten Zeit nach der Übersiedlung nach Italien war das Kofferradio eine wichtige Verbindung in die Heimat. Allerdings war der Empfang in der Wohnung sehr schlecht. Um diesen zu verbessern, zog die Familie selbst bei Regen auf die Dachterasse unter einen Schirm und lauschte den Fußballergebnissen aus Deutschland. »Es war oft bitter zu hören, dass unser BCA wieder eine Packung bezogen hat« , so Haller.

Insgesamt elf Jahre blieben die Hallers in Italien. Nach sechs Jahren in Bologna zogen sie 1968 in den Norden nach Turin, wo sich der Vater bei Juventus verpflichtet hatte. Die Kinder wuchsen zweisprachig auf. 1973 kehrten die Hallers nach Deutschland zurück. Die Kinder wären gerne geblieben, hatten sie doch viele Freundschaften geknüpft. Die Eltern zog es aber in die alte Heimat zurück. Jürgen Haller wurde wie sein Vater Profi-Fußballer. 1977 trennten sich Waltraud und Helmut.

mit Waltraud Haller (5)
mit Giacomo Belardi und Sohn Sascha Haller (6)

Eine zweite Ehe ging Haller später mit Kerstin Neuner ein. Mit ihr bekam er den Sohn Sascha.
2003 heiratete Haller ein drittes Mal. Noraimy Rodriguez Guiterrez hatte er während eines Trainingslagers auf Kuba kennengelernt.


DER GESCHÄFTSMANN

Mit dem Handgeld, das er 1962 vom FC Bologna bekommen hatte, kaufte sich die Familie Haller mehrere Mietshäuser in der Jakobervorstadt. Mit einem guten monatlichen Spielergehalt und den Siegprämien von FC Bologna und später Juventus Turin konnte sich Haller einigen Luxus leisten. Dazu gehörten Sportautos und eine Villa in Westheim, in der die Familie von 1966 bis 1979 wohnte.

mit Gerd Müller (8)

Zusammen mit Gerd Müller war Haller Gesellschafter bei AT Sport, einem Vereinsausstatter für Sportartikel. Außerdem war er als Repräsentant für Sortimo, einem Fahrzeugaustatter tätig, der durch seine Kontakte und mit Unterstützung von Giacomo Belardi in Italien Fuß fassen konnte. Kurzzeitig betrieb Haller auch die Boutique »Il Biondo« mit italienischer Mode in der Augsburger Ludwigstraße. Gemeinsam mit Giacomo Belardi, der selbst Fußballer beim FC Augsburg war, hat Haller mehrere Jahre eine internationale Fußballschule geführt.

(7)
mit Giacomo Belardi (9)

Text

(A) Ein Gespräch mit „Hemad“, Herbert Schmoll und Franz Neuhäuser am 21. Juli 1999

Bilder

Titelbild, (1), (2), (3), (4): Supersport, Bologna 8.3.1965
(5), (7): Familie Haller
(6), (9): Giacomo Belardi
(8): Fred Schöllhorn